3/2023         JNS   N E W S L E T T E R       ٣/۲۰۲٣

• Als die internationale Stiftung, die wir sind, bieten wir diesen Newsletter in unseren vier Versionen an.

• Wir sind zu Ehren von Jemal Nebez als Stiftung von Kurden für Kurden gegründet und bauen auf sein Lebenswerk, das wir bewahren und weit und breit bekannt machen wollen.

 • Wir sind rechtsfähig und politisch unabhängig, keiner Partei zugehörig. Unsere Gremien arbeiten ehrenamtlich. Für unsere Projekte und Planung sind wir auf Spenden angewiesen.

• Wir sind nach deutschem Recht als gemeinnützig anerkannt. Was wir an Spenden erhalten, wird satzungsgemäß ausgegeben und offengelegt

Auch im letzten Drittel des Jahres 2023 ist keine Nachlassen des Schrecklichen in Sicht.  Im Gegenteil. Es gibt auch keine Anzeichen, dass diese Zeiten nicht noch schrecklicher werden könnten.

Völkermord und die unrechtmäßige Teilung einer Kulturnation verjähren nicht


Für Kurden und unsere Stiftung sind diese Zeiten nahezu unerträglich, da  –  in einem Ausmaß wie nie zuvor –  gerade solche Themen und historische Daten in der Weltöffentlichkeit breit erörtert werden, die im Zusammenhang stehen mit dem Leid und Unrecht, das eben auch Kurden und ihr angestammtes Heimatland Kurdistan erleben mussten   –  und die einer Kulturnation wie die der Kurden   –  unvergesslich sind und nicht verjähren können.
Tagtäglich bringen die Medien Kurdinnen und Kurden weltweit ihr eigenes Leid in Erinnerung, das aber nicht thematisiert ist und das sie alleine tragen, was zusätzlich schmerzlich ist.
Solches Leid und Unrecht, Völkermord und die unrechtmäßige Teilung einer Kulturnation, verjähren nicht.

Kurdistan im Zuge der Neuordnung des Nahen und Mittleren Osten zwischen 1920 bis 1946

Das schließlich auf drei neuartige Nationalstaaten aufgeteilte Kurdistan - auf die Türkei (1923), auf den arabischen Staat Irak (1932) und schließlich auf den arabischen Staat Syrien (1946) - gehörte zu der Landmasse, die den Siegermächten mit der Kapitulation des osmanischen Reiches 1918 zugefallen war. Zu diesem Zeitpunkt war schon beschlossen, das riesige Gebiet in Nationalstaaten westlichen Muster aufzuteilen und den politischen Prozess dazu in die Hand zweier Staaten aus dem Kreis der Siegermächte zu legen: Großbritannien und Frankreich. Auch wurde die Gründung des Völkerbundes aus dem Kreis der Siegermächte mit weiteren eingeladenen Gründungsmitgliedern vorbereitet, der die beiden bestellten Mandatsmächte Großbritannien und Frankreich im Prozess auch korrigierend begleiten sollte.

Anfang 1920 waren die drei völkerrechtlichen Voraussetzungen für die Aufteilung Kurdistans am Platz: der Versailles Friedensvertrag war unterschrieben und ratifiziert, die beiden Mandatsmächte mit weitreichenden Befugnissen bestellt, der ihnen an die Seite gestellt Völkerbund war gegründet.

Mandatsmächte mit weitreichenden Befugnissen bestellt, der ihnen an die Seite gestellte Völkerbund war gegründet

Allerdings war parallel auch etwas schief gelaufen nach dem Waffenstillstandsabkommen 1918. Die den Jungtürken darin für die Landmasse Kleinasien gemachten Auflagen wurden in Westanatolien, am Bosporus und entlang des Mittelmeeres nicht eingehalten. Es kam zum Griechisch-Türkischen Krieg, der von den Türken dann als Befreiungskrieg geführt wurde mit dem Resultat, dass sie Kontrolle über den Bosporus wiedererlangten. Das allerdings erst nach dem Seig der Jungtürken im Griechisch-Türkischen Krieg im August 1922. Den erstarkten  Jungtürken unter Atatürk war der schon in Sevres 1920 mit ihnen verhandelte und zum Abschluss gebrachte Vertrag mit Details zur anstehenden Gründung der neuen Türkei jetzt nicht mehr akzeptabel. Der 12. Punkt von Wilsons „Vierzehn Punkte“ zur Selbstbestimmung „der übrigen Nationalitäten, die vormals unter türkischer Herrschaft gestanden hatten“ war im Sevres Vertrag inhaltlich zu erkennen, wenn ihm auch nicht stattgegeben worden war. Auf jeden Fall drängten die Jungtürken nunmehr auf neue Verhandlungen. Diesem Drängen wurde nachgegeben und im Juni 1923 trat der Vertrag von Lausanne an die Stelle der Bestimmungen von Sevres. Der Völkerbund stimmte zu und Ende Oktober 1923 war die neue Türkei unabhängig.
Was übersehen war, oder keine Rolle spielte, war der Umstand, das die Entscheidung der neuen Türkei den im Osten von Kleinasien gelegenen Teil von Kurdistan zuzuerkennen, den Kurden in diesem Teil von Kurdistan die Gelegenheit nahm, ihr Recht auf ungestörte selbstständige Entwicklung zu leben.

Was übersehen war, oder keine Rolle spielte, war der Umstand, das die Entscheidung der neuen Türkei den im Osten von Kleinasien gelegenen Teil von Kurdistan zuzuerkennen, den Kurden in diesem Teil von Kurdistan die Gelegenheit nahm, ihr Recht auf ungestörte selbstständige Entwicklung zu leben.

Da dieser Punkt bei der Gründung der Türkei keine Rolle spielte und die bestellten Mandatsmächte keinerlei Auflagen hatten, für Kurden bestimmte Rechte zu formulieren oder  das Siedlungsgebiet der Kurden im Zusammenhang zu erhalten, kam es zum Wildwuchs in der sich gegen Kurden richtenden Politik, zunächst in der Türkei und dann in den Nachbarländern, der mit Völkermordpolitik richtig bezeichnet ist.

Der nächste Staat, der von Großbritannien vorgeschlagen wurde, ein unabhängiger Nationalstaat zu werden, war der arabische Staat Irak. Er wurde 1932 als arabische konstitutionelle Monarchie gegründet. Die Kurden in Südkurdistan haben ihren eigenen König ausgerufen, um nicht Teil einer Monarchie werden zu müssen, deren arabischer König von anderswo importiert worden war. Die Geschichte, wie der arabische Staat Irak entstand, einschließlich des ölreichen Kurdistan, aber gegen den Willen der Kurden dort, ist gut dokumentiert, sowie auch die Hilflosigkeit des Völkerbundes gegenüber einer Mandatsmacht, die darauf aus war, ihren Willen durchzusetzen. Die Südkurden leisteten Widerstand, sie wurden beschossen und bombardiert, sie protestierten, reichten Petitionen ein. All das nützte nichts. Der Völkerbund stimmte zu und der Irak wurde unabhängig. In diesem Fall allerdings mit einigen Bedingungen bezüglich der Sprachrechte für Kurden in Südkurdistan. Sie vollständig an Ort und Stelle zu haben, war dann  ein weiterer langer Kampf für die Kurden im Irak.

Der letzte Teil von Kurdistan blieb lange Jahre unter französischen Mandat, bis nach dem 2. Weltkrieg. Im letzten Kriegsjahr wurde dann schnell gehandelt.
Der Völkerbund hatte seine Tätigkeit zwar schon Mitte der 1930er Jahre aufgegeben, war aber formal bestehen geblieben und löste sich erst im Zusammenhang mit der Gründung der UNO (1945) nach dem 2. Weltkrieg auf.
Als Frankreich dann 1946 so weit war, um der unlängst gegründeten UNO die arabische Republik Syrien als unabhängigen Staat vorzuschlagen,  folgte diese dem Vorschlag der langjährigen Mandats- und Kolonialmacht ohne Zögern. Die Arabische Republik Syrien wurde ohne Verzug von der UNO in die Unabhängigkeit entlassen, ohne Auflagen bezüglich des Schutzes der Kurden in deren Norden.

Was Rojhelat / Ostkurdistan im Qadscharen-Reich bzw. im Pahlevi Iran und in der Islamischen Republik Iran widerfuhr

Und im Iran, genauer – im nach Osten an das osmanische Reich grenzenden Qadscharen-Reich, wie erging es den Kurden dort? Dieser Vielvölker-Staat hatte - anders als das Osmanische Reich -  im 1. Weltkrieg nicht teilgenommen, war vom Versailles Vertrag und was daraus folgte erstmal nicht betroffen, aber nur als die neue Türkei gegründet war, stürzte ein gewisser Pahlevi den Qadscharen-Herrschen und begründete die Pahlevi-Dynastie. Reza Schah Vater veranlasste den Umbau des vormaligen Vielvölkerreiches (wie auch das Osmanische Reich ein solches gewesen war) zu einem zentralistisch geführten Nationalstaat aus freien Stücken. Er lag in vielem auf derselben Linie wie Atatürk in der Türke, nahm auch wie dieser einen pro-Hitler Kurs ein, beide Staaten, die Türkei und der Iran, konnten allerdings vermeiden, bei Kriegsende auf der Seite der Verlierer zu stehen. Zusammen mit den Siegerstaaten im 2. Weltkrieg waren sie natürlich dafür, dass der kleinen Republik Kurdistan, mit Hauptstadt Mahabad, die Kurden aus allen Teilen Kurdistans im Windschatten des Krieges vorbereiteten und 1945 gründeten bzw. im Januar 1946 proklamierten und dann noch ein knappes Jahr lang demokratisch und friedlich leben konnten, wobei in dieser Zeit sie die Nachricht erreichte, dass im April des Jahres ein weiterer arabischer Nationalstaat – nunmehr von der 1945 gegründeten UNO – mit einem Teil von Kurdistan in seinem Territorium in die Unabhängigkeit entlassen worden war. Die kleine Republik Kurdistan kapitulierte durch ihre Übergabe an den Heerführer durch ihren Präsidenten, der im März 1947 vom Pahlevi Iran hingerichtet wurde.

1946 war nur Halbzeit! Danach ging die zwischen den Weltkriegen etablierte Völkermord-Politik gegenüber Kurden und das Festklopfen der unrechtmäßigen Teilung der Kulturnation weiter

Der Pahlevi Iran gehörte über die exzellenten Beziehungen Reza Schahs (Sohn) zu den USA in den Jahrzehnten des Kalten Krieges dem westlichen Lager an, an ziemlich prominenter Stelle zumal, weil Reza Schah (Sohn) exzellente Beziehungen zu den USA unterhielt.

Das änderte sich abrupt, als der Schah 1979 – im Zuge der von Ayatollah Khomeini geführten islamischen Revolution – gestürzt und die Islamische Republik Iran gegründet werden konnte. Die Kurden in Ostkurdistan versuchten den islamischen Revolutionären Vorschläge zu machen, wie ihnen in ihrem Teil von Kurdistan eine Art Autonomie eingeräumt werden könnte. Aber es half nichts, sie wurden militärisch angegriffen, durch einen Fluch (Fetwa) von Ayatollah Khomeini kollektiv verdammt und schließlich bei Ausbruch des Jahre währenden Irak-Iran Krieges von der iranischen Armee überrollt.
Als vor gut 10 Jahren der Wunsch nach mehr Freiheit sich im islamischen Iran zu regen begann, waren die bekanntermaßen freiheitsliebenden Kurden in Rojhelat längst dabei, mit Binnenwirkung bis in den Iran. Das wurde von Teheran wahrgenommen, wenn es um mehr Freiheit geht, sind  Kurden gerne dabei, was ihnen gegenüber zu besonderen Auflagen führen kann. Zum Gedenktag von Jina aus Ostkurdistan, die zu Besuch in Teheran nach einem Streit mit der Moralpolizei über das richtige Tragen des Kopftuches zu Tode gekommen war, wurden ihrer Heimatregion bestimmte Auflagen gemacht. Es gab Anordnungen wie der Gedenktag in Rojhelat zu gestalten sei. Doch dazu kam es nicht. Die Kurden in Ostkurdistan gedachten Jinas, indem sie einem Generalstreik durchführten.

Europa-Parlament verkündet Ehrung -  Jina und die Freiheitsbewegung im Iran erhalten 2023 Sacharow-Preis

Wir freuen uns über diese Wahl der europäischen Abgeordneten.
Jina aus Saqqez setzte sich bekanntlich mutig zur Wehr, als sie von der Teheraner Moralpolizei angehalten wurde. Sie starb am 16.September 2022 nach Misshandlung und noch in Polizeigewahrsam. Sie wird den diesjährigen Sacharow Preis für geistige Freiheit also posthum erhalten.

Zugleich erhält den Preis die "Frauen, Lebens- und Freiheitsbewegung im Iran", die mit ihrem Mut und ihrer Ausdauer beim Organisieren friedlicher Proteste vorwiegend junger Menschen im ganzen Iran, schon weltweit manche Aufmerksamkeit hatte.  Aber nach den harten und brutalen Gegenmaßnahmen der Sicherheitskräfte gegen die protestierenden Studierenden und Jugendlichen im Iran ist es wieder still um sie geworden.

Salman Rushdie, Schriftsteller und Nobelpreisträger, wünscht sich mehr

Salman Rushdie, der als freiheitlich denkende Einzelperson seinerzeit von Ayatollah Khomeini mit einer Fetwa verflucht wurde und den Überfall eines schiitisch-muslimischen Fanatikers in Ausführung der Fetwa nur knapp überlebte, äußerte sich in einem Interview anlässlich der Nachricht über den Preis au einer Buchmesse folgendermaßen:

Ich habe die Protestbewegung im Iran wirklich bewundert, den Protest der Frauen,  und ich würde es wirklich begrüßen, wenn die westlichen Regierungen das mehr zur Kenntnis nehmen und den Prozess unterstützten, statt zu versuchen, die iranische Regierung an der Macht zu halten.“

Kurdinnen und Kurden wünschen sich Anerkennung, wollen benannt sein

Wir können uns dem nur anschließen und hinzufügen, dass - Kurdinnen und Kurden - natürlich bemerkt haben, dass Jina in der Pressemeldung des Europäischen Parlaments immerhin als "kurdisch-iranische Frau" benannt ist. Es ist schon vorgekommen, dass Jina in der Weltpresse nur mit ihrer staatsbürgerlichen Zuordnung "iranisch" benannt war, was zu kurz greift, eben nur eine Ebene anspricht, wie - "europäisch".  Alle Europäer sind europäisch, aber auch mehr, und das MEHR ist jeder Europäerin und jedem Europäer wichtig.

Die zur Bezeichnung der Freiheitsbewegung im Iran benutzten Schlüsselworte entstammen übrigens der kurdischen Sprache, die linguistisch gesehen älter als das Persische ist. Eben unter derselben Bezeichnung, der kurdischen Kultur entsprechend, ist die Jin-Jina-Azadi Bewegung eben auch in einer ganz anderen Ecke von Kurdistan groß geworden, nämlich im im Kurdengebiet Rojava in Nordsyrien, und zu einer Zeit, als in anderen Teilen Syriens der Bürgerkrieg tobte.  Freunde der Kurden und Rojavas haben über die innovative Kulturkraft dieses zum Teil immer noch autonom regierten Teils von Syrien schon viel berichtet. Dennoch hält die Türkei an der Besatzung zumindest eines Teils davon fest, um durch Zwangsumsiedlungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verändern. Und in die angrenzenden Kurdengebiete bringt sie weiter Tod und Zerstörung aus der Luft, ohne auf der maßgeblichen Ebene - der von Staaten - jemals dafür zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.

Krieg in Europa,  derzeit im Patt

Der Russland-Ukraine Krieg ist 20 Monate jetzt ohne auch nur einen Waffenstillstand im Gange. Über das Kriegsgeschehen ist die Vorgeschichte und Faktenlage vergessen.
Die Territorien der beiden kriegführenden Staaten waren ehemals integraler Teil der Anfang der 1990er Jahre zerfallenden und abgewickelten Sowjetunion. Während das neue Russland nunmehr - geografisch gesehen – einen europäischen und einen asiatischen Teil hat, liegt das Territorium der Ukraine in seiner Gänze in Europa

Krieg zwischen zwei aus der Sowjetunion entstandenen Staaten

Die Ukraine wird von Europa bzw. den europäische Staaten in diesem Krieg fast ausnahmslos unterstützt, humanitär und politisch. Und von der EU bzw. Brüssel. Die EU prüft derzeit, ob die Aufnahme von EU Beitrittsverhandlungen mit dem kriegführenden Land möglich ist. Außerdem unterstützen europäische Staaten die Ukraine mit Waffensystemen einschließlich militärischer Ausbildung, halten aber bewusst den Abstand, der offenbar nötig ist, um nicht als aktiver Kriegsteilnehmer zu gelten. Ähnliches gilt für die Staaten Nordamerikas, die USA und Kanada. Sowie für die NATO. Auch die NATO prüft, ob die Aufnahme der Ukraine in das Verteidigungsbündnis derzeit möglich ist.

Auf der anderen Seite steht Russland. Das hat den Krieg nach Jahren schwelenden Konflikts zwar ausgelöst, und ist vom politischen Westen als Aggressor viel gescholten worden, auch auf der Ebene der UNO, konnte aber diplomatisch und politisch gegenhalten und ist bei manchen Staaten weltweit, zur Überraschung des Westens, auf Verständnis gestoßen. So ist eine Art Patt-Situation entstanden.

Türkei blockiert NATO-Beitritt beitrittswilliger Staaten, erzwingt politische Gegenleistung: aktive Verfolgung der PKK als Terrororganisation

In der Zeit vor dem Russland-Ukraine Krieg sahen Finnland und Schweden keine Notwendigkeit, in die NATO einzutreten. Die Menschen dort fühlten sich sicher. Auch flüchteten viele in der Türkei verfolgte Kurden dorthin und erhielten Asyl sowie kulturelle Unterstützung. Als Finnland und Schweden nach Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine die NATO Mitgliedschaft beantragten, blockierte die Türkei (Mitglied der NATO seit 1952) ihr Anliegen. Erst müssten die Länder auf die Linie der der Türkei in der Verfolgung der PKK kommen.  Auf diese Weise dürfte das Veto-Recht, das Nato-Mitglieder in manchen Fragen in dieser Organisation haben, noch nie zur Anwendung gekommen sein.

Finnland gab von den beiden Ländern zuerst in dem von der Türkei geforderten Umfang nach und konnte früh in diesem Jahr schon der NATO beitreten. Mit Schweden war der türkische Staats- und Regierungschef erst auf dem NATO Gipfel in Vilnius zufrieden, legte aber erst am 23. Oktober dem türkischen Parlament das unterschriebene Beitrittsprotokoll zur Ratifizierung vor.  Aber das könnte auf sich Warten lassen. Denn zu dieser Zeit, kurz vor der 100-Jahr-Feier zur Gründung der Türkei, dürfte der türkische Staats- und Regierungschef schon überlegt haben, welcher Nutzen sich für sein gleichgeschaltetes Land aus dem dann gut 14 Tage laufenden neuen Krieg in Nahost ziehen lassen würde.

Palästina und Kurdistan - zu diesen beiden Problemkomplexen gibt es eine Analyse aus der Feder unseres Namensgebers, die gerade auch die Situation in Gaza nach 2007 mit einbezieht, als Hamas die Herrschaft über den Gaza-Streifen übernahm, über das Gebiet sowie über die Bevölkerung.

Neuartiger Nahost Krieg, seit 07. Oktober

Der Terrorangriff aus dem Gaza-Streifen kam zu Boden, zu Wasser und aus der Luft. Er kam offenbar überraschend. Der Angriff wurde von der Palästinenser-Organisation Hamas geführt, die seit 2007 das Territorium des Gaza-Streifens und dessen palästinensische Bevölkerung unter Kontrolle hat. Die Terrorangriff am Boden ging in grenznahe Dörfer mit dem Ziel, möglichst viele israelische Geiseln zu nehmen, was gelang.

Israel nach Hamas Terror am 07.10.: 'Wir sind im Krieg"

Israel hat den Feind sofort benannt: Hamas. Sie hat auch die Auslöschung dieser Organisation zum Kriegsziel erklärt, und ist seitdem bei dieser Position geblieben, auch angesichts der vielen pro-Palästina Proteste weltweit.

Die Welt erlebte eine beispiellose Polarisierung, an der alle Medien im anhaltenden Umfang beteiligt sind. Reizthemen wie Antisemitismus, Juden- und Islamfeindlichkeit sind nicht mehr tabu und sorgen wie die Nachrichten vom Krieg laufend für Emotionen. Alles scheint über diesen Krieg zur Sprache zu kommen, nur Kurdinnen und Kurden und ihr Heimatland Kurdistan bleiben weiter ausgeklammert.

Jenseits der Medien- und Protestaktivitäten hat Israel – assistiert von der UNO und einzeln von vielen Staaten -  einen Weg gefunden, den Krieg gegen Hamas im Gaza-Gebiet zwar fortzusetzen und gleichzeitig Maßnahmen in die Wege zu leiten, oder zu gestatten, die die Situation der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza sichern hilft.
Deutschland, die USA und NATO zeigten sich zu früher Stunde dieses Kriegs fest an der Seite Israels. Das 1948 gegründete Israel ist zwar kein formales Mitglied der NATO, wie die Türkei, aber ein Partner, dem die NATO vor Jahren schon Schutz bei Angriff zugesichert hat.

Hamas waffenmäßig gerüstet und unterstützt

Durch ihre Taktik der Geiselnahme beim ersten Ansturm und  durch ihre erstaunliche Militärkraft war Hamas in guter Ausgangslage. Das in Gaza eben auch zur Verteidigung ausgebaute Tunnelsystem kam hinzu. An finanziellen Resourcen mangelte es Hamas offenbar nicht.  Das ist auf die Bruderschaft zwischen dem islamischen Iran und manchen Palästinenser-Organisationen zurückführen. Den Anfang machte seinerzeit Revolutionsführer Ayatollah Khomeini und PLO Führer Arafat noch während der islamischen Revolution, die nach Errichtung der Islamischen Republik Iran zu einer gegen Israel gerichteten Achse ausgebaut wurde. Seit Hamas 2007 die Kontrolle im Gaza-Streifen übernommen hat, kann diese Terror-Organisation auf die weitgehend offene Unterstützung der Islamischen Republik Iran bauen. Wie zum Iran sind auch die Beziehungen der Hamas zum benachbarten Libanon und Syrien gut. Beide Staaten haben schon vom islamischen Iran profitiert und sind ähnlich eng wie Hamas mit ihm verbunden.

Die zwischen dem islamischen Iran und den am Mittelmeer gelegenen Staaten Libanon und Syrien und bis in den Gaza-Streifen entstandene Achse ist als Netzwerk zu verstehen, das konkret aus vielen Gruppen und Organisationen besteht, die in mehr oder minder engem, auch finanziellen Verhältnis zu Teheran stehen. Diese informelle aber feste Anbindung der Islamischen Republik an den Küstenteil des Mittelmeers geschafft zu haben, ist schon „Ayatollah Khomeinis größter Coup“ genannt worden.
Über das Netzwerk zwischen den Staaten dieser Achse lassen sich auch politisch-motivierte Prozesse oder Ereignisse abwickeln. Der Irak ist aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, dagegen vorzugehen.  Seit Kriegsbeginn hat die Anzahl der Anschläge auf militärische US-Einrichtungen in seinem Territorium drastisch zugenommen, mehr als 40 an der Zahl, mit entsprechenden Bekennermeldungen von eindeutig Teheran verbundener Terror-Organisationen. Vor diesem Hintergrund wäre als nächstes eine Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu erwarten. Aber die gibt es zwischen den USA und Iran nicht mehr, seit 1980 schon nicht mehr. Aber der Iran hätte seine Rhetorik gegenüber den USA verschärfen können, hat das aber noch nicht getan, was wohl bedeutet, dass Teheran in diesem Nahost Krieg lieber abwarten will.

Türkei positioniert sich Anti-Israel

Zur guten Ausgangslage kommt nach gut 14 Tagen des neuartigen Nahost-Kriegs die Unterstützung der Türkei , bezeichnenderweise kurz vor der 100-Jahr-Feier das Landes. Das Jubiläum hatte Erdogan schon ein Jahr zuvor mit der triumphalen Botschaft angekündigt, dass das folgende Jahrhundert großartig für die Türkei und Türken sein würde. Dann war es im Laufe des Jahres still darum. Und nun das, vom türkischen Staats- und Regierungschef persönlich vor einer Vielzahl von AKP Mitgliedern am 25.9. unter freiem Himmel:  „Hamas ist keine Terror-Organisation, sondern eine Befreiungsorganisation“.

Hamas - für die Türkei eine "Befreiungsorganisation"

Hoppla, der NATO und einzelnen NATO Staaten hatte er doch gerade nochmal  im laufenden Jahr die Einordnung der kurdischen PKK als Terrororganisation abgepresst.
Die PKK als Befreiungsorganisation anzuerkennen, ist für die Türkei von Anbeginn, seit den 1980 er Jahren ein Unding gewesen, lieber führte sie einen schmutzigen Krieg gegen sie, der viele Opfer erforderte und weite Teile Kurdistans in der Türkei zerstörte. Auch konnte die EU in ihren einige Jahre laufenden Beitrittsverhandlungen die Türkei nicht bewegen, den Kurden in der Türkei bestimmte Rechte einzuräumen, die erforderlich für den Beitritt der Türkei waren. So wurden die Beitrittsverhandlungen abgebrochen.
Die Kurdische PKK soll weiter als Terror-Organisation gelten und aktiv - wie es die Türkei wünscht - verfolgt werden, die arabisch-palästinensische Hamas aber soll als als "Befreiungsorganisation" anerkannt sein.

Das sind die beiden Eckpunkte sowohl türkischer Innen- als auch Außenpolitik, die Erdogan zunächst in der NATO im Kontext des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine (die noch kein NATO Mitglied ist) und kürzlich, kurz vor der Hundert-Jahr-Feier seines Landes, in Istanbul, aber direkt an den Westen gewandt klargestellt hat.

Der Westen, das ist angesichts des laufenden neuartigen Kriegs in Nahost, an erster Stelle Israel und die NATO, die Israel gegebenenfalls Schutz zugesagt hat, und alle jene Staaten, allen voran die USA, die EU und darin insbesondere Deutschland, die sich Israel besonders verbunden erklärt haben.

Erdogan verwendete dabei im Übrigen das Stilmittel der Verächtlichmachung, ähnlich wie der islamische Iran in bezug auf die USA, aber Erdogan nun auf den Westen schlechthin, einschließlich Israel. Verächtlichmachen ist gegenüber der kurdischen PKK gar nicht nötig,  Sie zählen nicht, sind immer nur Feind gewesen, der total bekämpft werden muss. Auf keinen der von der PKK angebotenen Waffenstillstände ist die Türkei jemals eingegangen. Kurdische Zivilisten wurde keine Atempause gewährt. Stattdessen wurden ihre Wälder und Felder vom türkischen Militär abgefackelt. Soweit zum Mitgefühl, das Erdogan für die Palästinenser an den Tag legt.

Zusammengefasst, die am Anfang gegebene Einschätzung ist zutreffend. Es sieht nicht nach Verbesserung oder Entspannung aus, es könnte noch viel schrecklicher werden.
Es haben bereits Raketenangriffe auf Israel aus den Nachbarstaaten heraus stattgefunden. Dennoch, Israel hat vier Wochen jetzt nicht nachgegeben, weder politisch noch militärisch. Es könnte ein längerer Krieg werden.


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